Dreien Paradigmen habe sich die ‚abendländische‘ Philosophie unterworfen. Zunächst dem des Seins von den Anfängen bis zu Descartes, dann jenem des Bewusstseins, das schliesslich um 1900 von der Wende zur Sprache abgelöst worden sei.
Wie dem auch sei in Wahrheit; tempi passati. Was alle Philosophie heute allein noch zu tun hat:
Denken, als ob es kein morgen gäbe.
Denn die Chancen dafür sind ungeheuer.
Dabei ist das alles nichts Neues (es gibt hier generell nichts Neues, bitte gehen Sie weiter, wenn Sie danach suchen). Das Foto oben stammt vom 4. Dezember 1968; aufgenommen hat es William Anders aus dem Raumschiff der Apollo 8-Mission bei der Umrundung des Mondes etwa in Höhe dessen Äquators. Es trägt den Namen Earthrise. Wichtig ist, es in der originalen Orientierung zu belassen; denn schon die Suggestion eines horizontal geebneten Bodens, von dem aus wir auf die Erde zurückblicken könnten, führt in die Irre. Es gibt keinen Grund im All, auf dem wir sicher stehen und bleiben könnten, womöglich gar als einer neuen Heimat.
Wir Menschen haben bislang nicht zum naheliegenden Gedanken gefunden, es zum Emblem unserer Zivilisation zu erheben; de facto konnten wir uns auf gar kein Sinnbild unserer Existenz einigen. Besonders unglücklich erscheint die Flagge der UNO: Weder gibt es einen lichtblauen Himmel, an dem die Erde stünde, noch wird sie gehalten von irgendeinem Naturgewächs, das wir ihr um den Hals gelegt hätten. Nietzsche hat gesagt, was es vor dem Hintergrund des nach wie vor besten verfügbaren Wissens über Raum und Zeit zu sagen gibt:
„In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und verlogenste Minute der „Weltgeschichte“: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mussten sterben.“
Das ist die Ausgangslage, aus der es keinen Ausgang gibt. In ihr müssen wir zurechtkommen – wenn wir überhaupt wollen; denn es hängt nur von uns ab. Kein Gott wird uns retten.
„Earthrise“ beantwortet abschliessend die kosmologisch-metaphysische Grundfrage, so anschaulich klar und verlässlich wie es ein Foto irgend kann (und wir vertrauen aller Orten auf Fotos, auch wenn sie zugleich dieses Vertrauen nicht verdienen): Nach Jahrhunderten der Sphärenspekulationen, der wechselnden Weltbilder, wissen wir nun, was der Fall ist.
Alles, worauf es ankommt, ist, diesen unseren Fall absolut ernst zu nehmen, auf seiner Grundlage zu denken, ihn als Rahmen zu akzeptieren, aus dem die Frage nach uns und unser aller guten Leben auf dieser Erde gestellt werden muss.
Das ist nichts Neues, nur die Philosophie gefällt sich immer noch in Epistemologien und analytischem Firlefanz und flattert allenfalls wieder mal kurz vor dem Untergang daher.
Es ist Zeit.


