Dies, das und irae

1.6.2025
Eigentlich müssten praktisch alle Wörter immer in Anführungszeichen gesetzt werden. Viele sind gar keine Wörter mehr, sondern nur noch Duftmarken. „Ausländer“ zum Beispiel; niemand kann sagen, was das bedeutet, vielmehr entspricht der Mensch, der es verwendet, und die Weise, wie er es verwendet, dem beinhebenden Hund: Er positioniert sich mit einer gewissen Dauerhaftigkeit in der Landschaft.
Vielleicht hat Nietzsche deshalb notiert: „168. Noch ein Jahrhundert Zeitungen — und alle Worte stinken.“

24.5.2025
Hier wird nicht Recht gehabt.
Merkwürdig, dass Martin Seel in seinem ganz interessanten Buch den Hinweis auf Minima Moralia 44 vergessen (?) hat.
Auch:
„5.
Ich will, ein für alle Mal, Vieles nicht wissen. – Die Weisheit zieht auch der Erkenntniss Grenzen.“ Götzendämmerung, Sprüche und Pfeile

24.5.2025
„Ozeanien society rests ultimately on the belief that Big Brother is omnipotent and that the Party is infallible. But since in reality Big Brother is not omnipotent and the Party is not infallible, there is a need for an unwearying, moment-to-moment flexibility in the treatment of facts. The key-word here is blackwhite. Like so many Newspeak words, this word has two mutually contradictory meanings. Applied to an opponent, it means the habit of impudently claiming that black is white, in contradiction of the plain facts. Applied to a Party member, it means a loyal willingness to say that black is white when Party discipline demands this. But it means also the ability to believe that black is white, and more, to know that black is white, and to forget that one has ever believed the contrary.“
1984, Part II, ix

18.5.2025
Das Utopische ist der Mensch in seinem Habitat. Und bevor jemand seine „Oh Mensch!-Pathos“-Augenbrauen hochzieht: Es gibt keinen anderen Massstab, kein anderes Ziel.

5.5.2025
Der Widerspruch als öffentliches Ereignis liegt im Koma, ist vielleicht schon hirntot. Und zwar in allen seinen Erscheinungsweisen: logisch („A = nicht-A“), argumentativ („Dagegen spricht …“), performativ („Da mache ich nicht mit!“), als Kohärenz in Raum und Zeit („Gestern und an anderer Stelle hast du hingegen …“) etc. Das ist nichts ganz Neues – auf diesen Seiten gibt es nichts Neues, bitte gehen Sie weiter –; On Bullshit ist von 2005.
Dabei hatte es der Widerspruch nie leicht. Einerseits, weil er zu oft zu leicht genommen wurde: A = nicht-A? Falsch, Ende der Durchsage. Die Alternative andererseits, ihn sehr ernst zu nehmen und sich trotz des Verbots des Parmenides (Sophistes 237 a und 258 c) darauf einzulassen, was es heissen könnte, wenn das Seiende nicht ist und das Nichts ist, – man nannte und nennt, die sie immer noch kennen, diese Arbeit Dialektik – ist das Gegenteil des toten Widerspruchs. Aus ihm stammt alle Energie. Aber Energie macht Angst, sie ist nicht zu zähmen, deshalb muss der Widerspruch aus der Welt. Und so war doch nicht Ende der Durchsage, vielmehr ritten sie in die Schlacht gegen diese gefährlichen Widersprüche, setzten sie auf Indices, töteten die, die sie vertraten (und alles auch im Präsens).

4.5.2025:
Verbote sind böse; deshalb müssen Verbote verboten werden.

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